Der machtlose Souverän in der repräsentativen Demokratie
Letztens las ich in einem Kommentar, dass die Politiker nur das tun, was wir ihnen erlauben und nicht das tun, was sie wollen. Ich fand den Kommentar interessant, weil mich interessieren würde, wie wir die Politiker denn zwingen können, das zu tun, was wir wollen, was wir ihnen also erlauben? Ist eine Wahl, die alle vier Jahre stattfindet, tatsächlich schon Legitimation genug? Erlauben wir durch ein kleines Kreuz auf dem Wahlzettel wirklich alles, was die Politiker in den vier Jahren machen? Ich finde nicht.
Zu der Zeit habe ich auch das Buch „SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen“ gelesen. In diesem Buch gibt es ein Interview, in welchem Gewalt als legitimes politisches Mittel gegen den Staat ausgeschlossen wird. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, deswegen ist nur der Staat legitimiert, Gewalt anzuwenden. Für mich bedeutet das, das die Polizei friedliche Protestanten zusammenschlagen darf, weil die Polizei durch das Staatsmonopol auf Gewalt legitimiert ist. Ein Protestant hingegen dürfe sich nicht gegen die Gewalt der Polizei wehren.
In beiden Fällen frage ich mich, wie man sich gegen den Staat wehren kann. Wie sollten wir, wenn es notwendig ist, die Demokratie verteidigen? Reicht ziviler Ungehorsam wirklich aus? Das schließt auch der Autor des Buches – Jakob Augstein – aus. Er findet, dass Gewalt gegen Sachen durchaus ein legitimes Mittel sein kann, da nur dadurch eine Chancengleichheit gegeben ist. Aber auch hier stellt sich die Frage, bis zu welcher Eskalationsstufe ist dieses Mittel okay?
Welche legalen Mittel haben wir überhaupt, um uns gegen Entscheidungen des Staates zu wehren? In Deutschland ist der Generalstreik nicht erlaubt, obwohl es der politischen Kultur nicht schaden würde. Wobei die Frage wäre, ob er etwas erreichen würde? In Frankreich gibt es den Generalstreik, aber hat der dort schon einmal etwas verändert? Egal! Ein Generalstreik schadet der Wirtschaft und was der Wirtschaft schadet, gefällt unseren Politikern überhaupt nicht. Sie würden also handeln müssen, um einen größeren Schaden von der Wirtschaft abzuhalten. Ich glaube nicht, dass unsere Politiker einen Generalstreik einfach aussitzen würden, sie würden etwas tun – vielleicht das, was die Streikenden fordern.
Einen bundesweiten Volksentscheid gibt es in Deutschland auch nicht. Somit gibt es auch keine Möglichkeit, auf diesem Wege etwas in Deutschland zu verändern. Es gibt Initiativen, die gerne einen Volksentscheid auf Bundesebene einführen wollen, aber diese Initiativen brauchen als Partner die Politik, diese ist aber noch nicht soweit, einen solchen Volksentscheid einzuführen.
Es ist natürlich auch fraglich, ob ein solcher Volksentscheid etwas bringen würde. Wir brauchen uns doch nur die Volksentscheide in Berlin ansehen, die zum Teil nicht einmal das nötige Quorum erreicht haben, um überhaupt gültig zu sein. Wäre das auf Bundesebene anders? Und woher sollten dann die Initiatoren eines bundesweiten Volksentscheides das Geld nehmen, um über ihre Inhalte zu informieren? Wären am Ende solche Volksentscheide nicht einfach nur gut, damit Lobbyisten bestimmte Gesetze durchbekommen, die sie auf anderem Wege nicht in den Bundestag einbringen können?
Demonstrationen sind natürlich erlaubt in Deutschland, aber sie haben auch ein Problem, sie sind meist zu klein, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Um dies zu erreichen, müssten wahrscheinlich mehrere Hunderttausend Leute auf die Straße gehen, alles, was darunter ist, wird von den Politikern doch eh nur weggelächelt. Und die Demonstranten müssen ausdauernd sein. Denn Politiker sitzen Dinge auch gerne einmal aus. Das zweite haben Demonstranten inzwischen schon erkannt, allerdings sind die Teilnehmerzahlen relativ gering, da viele Demonstranten auch noch eine Arbeitsstelle haben, zu der sie regelmäßig erscheinen müssen. Und Leute, die durchaus die Zeit hätten, werden durch den Staat darin gehindert. So haben Hartz4-Empfänger faktisch eine Residenzpflicht, denn Reisen in andere Städte müssen vorher beim Jobcenter angemeldet werden, da ansonsten das Geld gestrichen werden kann. So kann der Staat natürlich gut Kontrolle ausüben, und den Hartz4-Empfänger seiner Grundrechte berauben.
Aber auch zu Demonstrationen, welche am Wochenende stattfinden, lassen sich die Massen kaum aktivieren. Über ein paar Tausend Demonstranten lachen die Politiker, wie oben schon erwähnt. Somit sind Demonstrationen faktisch unbrauchbar, um die politische Willensbildung in den Parlamenten zu beeinflussen. Es lassen sich zwar immer mal wieder ein paar Politiker blicken, aber das dient nur dem eigenen Imageaufbau und dem Stimmenfang für die eigene Partei.
Es bleibt also weiterhin bei der Frage, welche Mittel haben wir eigentlich, um Politiker zu kontrollieren? Wie können wir durchsetzen, dass Politiker wirklich nur das tun, was wir ihnen erlauben? Welche Werkzeuge bleiben uns, um einen effektiven Kampf um unsere Demokratie zu führen? Wie können wir tatsächlich dafür sorgen, dass uns die politischen Kräfte in diesem Land zuhören? Wahlen, die nur alle vier Jahre stattfinden, sind ein solches Mittel nicht. Sie erzeugen nicht genügend druck und der Wähler ist, wenn wir ehrlich sind, zu einem wirklichen Wechsel der Politik auch zu ängstlich, denn ansonsten würde der Wähler auch anderen, kleineren Parteien eine Chance geben, wenn er mit den großen Parteien nicht zufrieden ist. Das macht der Wähler aber nicht, seine einzige Art des Protestes ist es dann, einfach gar nicht mehr zu wählen.
Unsere Demokratie ist eigentlich keine, denn sie gibt dem Volk – dem eigentlichen Souverän – nicht die Möglichkeit, aktiv* an der Politik mitzuwirken. Das Volk kann nicht einschreiten, wenn die Politik in eine falsche Richtung läuft, es hat keine Möglichkeiten, keine Werkzeuge den Politikern zu verbieten, weiter in die falsche Richtung zu laufen und der einzige Ausweg, den das Volk irgendwann nehmen wird, wird der Ausweg des Faschismus sein, denn der Weg in den Sozialismus, bzw. in den Kommunismus wurde schon lange verbaut. Und eine Utopie für eine neue Gesellschaftsform ist auch noch nicht wirklich vorhanden.
*Sich aktiv an Wahlen zu beteiligen, um selbst gewählt zu werden, ist auch kein wirkliches Mittel um Politik zu machen, da meist nicht genügend Stimmen gesammelt werden können, um etwas im Parlament zu ändern.
Oha, was für ein Post. Zunächst unterscheidest Du zwischen „Politiker“ und „wir“. „Politiker“ sind also unser Feind, unser natürlicher, gottgegebener Gegner, den es zu besiegen gilt? Wohl kaum, sie sind – und das wird immer wieder gerne ignoriert – relativ schlecht bezahlte Menschen, die (zumeist) unter Bedingungen arbeiten, die keiner von uns akzeptieren würde.
Dann schreibst Du „Ein Generalstreik schadet der Wirtschaft und was der Wirtschaft schadet, gefällt unseren Politikern überhaupt nicht“, was natürlich nicht falsch ist, aber nur die halbe, wenn nicht noch weniger Wahrheit. Was der Wirtschaft schadet, schadet uns! Ein Unternehmen muss ums Überleben kämpfen, wenn die Belegschaft nicht kommt, macht es Verluste. Wenn niemand was kauft (weil die Verkäufer, die die Waren in den Läden verkaufen, nicht da sind), macht es Verluste. Um das zu kompensieren (denn Kosten wie Miete, Strom, Heizung, Kredite laufen weiter), müssen die Preise erhöht werden. Jippie, wir haben gestreikt, jetzt fühlen wir uns total toll und zahlen dafür drauf.
Auch beim Thema HartzIV stimmen Deine Schlußfolgerungen nicht. Du schreibst extra, Betroffene müssten sich „abmelden“, damit ist es aber kein „unter Kontrolle behalten“, weil niemand etwas genehmigen muss. Tatsächlich müssen sie auch nur ihre Poste regelmäßig lesen und evtl. noch telefonisch erreichbar sein, also nichts, was man nicht mit etwas Nachbarschaftshilfe und einem Handy organisieren kann.
Um selbst gewählt zu werden, brauchst Du nur Gleichgesinnte, die für Dich stimmen. Es steht Dir sogar frei, Dich von einer Partei bei der Suche unterstützen zu lassen, denn jede der Bundestagsparteien freut sich immer über Aktive. Vielleicht mangelt es aber auch nur an Gleichgesinnten, aber eine Verschwörungstheorie ist natürlich die einfachere Erklärung.
Ganz zum Schluss: Es gibt eine Partei, die bei allen Entscheidungen ihre Mitglieder befragt und mit „OpenAntrag“ sogar Nicht-Mitgliedern die Möglichkeit bietet, alle Arten von Anträgen, etc. in alle Parlamente einzubringen, in denen sie vertreten ist. Das Konzept war so beliebt, dass die Piraten bei der letzten Wahl in den „Sonstigen“ untergegangen sind. Verständlich, denn wer jeden Tag die gehasste Politik mitgestalten kann, hat natürlich keinen Grund mehr zu meckern.
Nene, ich schreibe nicht, dass Politiker unsere Feinde sind. Ich schreibe nur, dass wir keine Möglichkeit haben, gegen falsche Politik ernsthaft vorzugehen. Ein Generalstreik, siehe Frankreich, führt nicht unbedingt zu Preiserhöhungen. Auch wird ja nicht auf dem Konsum verzichtet, sondern er wird verlagert. Bedeutet, in der Endabrechnung wird der Einzelhandel keine, bzw. nur sehr geringe Umsatzverluste haben, weil die Waren entweder vor dem Generalstreik gekauft werden, oder danach. Kritisch wird es beim produzierenden Gewerbe, wenn hier Vertragsstrafen fällig werden, aber wäre das nicht der Fall, dann wäre ein Generalstreik auch sinnlos, weil er keinen politischen Druck erzeugen kann.
Kommen wir zu den Hartz4-Empfängern. Sicher wird das Amt nicht sofort merken, wenn jemand die Stadt auch ohne Abmeldung verlässt. Sollte er aber erwischt werden, weil ihn zum Beispiel sein Betreuer im Fernsehen erkennt, gibt es eben die Sanktionen. Das ist ein Risiko, welchem sich der Hartz4-Empfänger bewusst ist und der auf viele eben schon genügend Angst ausstrahlt, sich eben nicht an Demos zu beteiligen. Übrigens ist es auch ein unter Kontrolle halten, weil der Berater, sobald er den Termin kennt, ihn durchaus einen Termin aufbrummen kann, oder ihn in eine Maßnahme vermitteln kann. Bleibt der Anspruch auf Urlaub, der aber eben auch von den Jobcentern genehmigt werden muss.
Zu den Piraten möchte ich sagen, wenn du dich hier ein wenig im Blog umschaust, wirst du sehen, dass ich durchaus ein Fan von den Möglichkeiten bin, die durch die Piraten bekannt geworden sind. Allerdings haben sich die Piraten hier selbst ein wenig unglaubwürdig gemacht, was den Einsatz von solchen Möglichkeiten angeht. Und das sie am Ende unter fünf Prozent geblieben sind, liegt eher daran, dass sie in der Öffentlichkeit nur durch ihre internen Streitereien aufgefallen sind. Dies mag durch den Anspruch der Transparenz geschehen sein, aber weniger Streit, zumindest in der Öffentlichkeit, hätte den Piraten durchaus gut getan.