Polizeigewalt: Pressemitteilungen der Polizei erklären doch alles…

Stellt euch vor, im Internet verbreitet sich ein Video, indem eine Person X brutal von einer anderen Person P zusammengeschlagen wird. Natürlich ist die Empörung über Person P groß, doch es kommen auch immer wieder die Kommentare von Menschen, die gerne wissen wollen, was davor passiert ist. Person P sieht sich, aufgrund des Videos und der großen Empörung, dazu gezwungen eine Pressemitteilung rauszugeben. Darin beschreibt er, dass Person X ihn zuvor, vollkommen gewaltfrei, in irgendeiner Art genervt hat und das seine Reaktion deswegen natürlich gerechtfertigt war. Weiterhin schreibt er, dass er während der Aktion auch selbst verletzt wurde und das eigentlich er, also Person P, das Opfer ist und nicht Person X.

Die Presse übernimmt diese Pressemitteilung, ohne zu prüfen, ob diese so überhaupt stimmen kann. Sie stellt sich hinter Person P und macht Person X zu dem Bösewicht und die Menschen, die vorher noch durch die sinnlose Gewalt schockiert waren, sprechen nun von einer bösen Manipulation von Person X. Sie hinterfragen gar nicht mehr, ob die Gewalt gerechtfertigt war, denn in der Pressemitteilung von Person P steht ja eindeutig drin, dass die Gewalt nur eine gerechtfertigte Reaktion war.

Albern findet ihr? Niemand würde Person P seine Ausführungen einfach so abnehmen? Die Presse würde natürlich erst einmal mit Person X und mit Augenzeugen sprechen, bevor sie sich eine Meinung bilden? Nun, dann schaut euch einmal die Medien an. Im Internet verbreitet sich ein Video mit Polizeigewalt, die Polizei sieht sich daraufhin genötigt, zwei Pressemitteilungen zu diesem Vorfall herauszugeben, wobei die erste Pressmitteilung überhaupt nicht zu dem passt, was im Video zu sehen ist und die Zweite nur eine Reaktion auf das Video selbst ist. Werden diese Pressemitteilungen hinterfragt? Nein!

Auf Publikative.org gibt es dazu schon einen lesenswerten Artikel. Dort wird genau darauf eingegangen. Die Presse übernimmt die Pressemitteilung der Polizei und macht den Mann, der hier Opfer der Polizeigewalt wurde, zum Täter. Es wird gar nicht hinterfragt, ob die Situation überhaupt so vorgefallen sein kann, wie sie in der Pressemitteilung verbreitet wird. Es wird auch nicht hinterfragt, ob die Gewalt wirklich gerechtfertigt war und die Medien machen sich schon gar nicht die Mühe, Augenzeugen zu finden und zu befragen. Auch dem Mann, der ja jetzt Täter ist, wird nicht die Möglichkeit eingeräumt, seine Sicht der Vorgänge wiederzugeben.

Und die Konsumenten der Nachrichten? Die fallen auf diese Einseitigkeit natürlich herein. Sie sind zufrieden mit der Erklärung, denn sie sehen sich darin bestätigt, dass es Polizeigewalt gar nicht gibt, dass das Opfer selbst daran schuld ist und dass die Polizei dazu berechtigt war, ihn wie einen Schwerverbrecher zu behandeln. Augenzeugenberichte? Wozu braucht man die? Einen Bericht von der Gegenseite? Nicht nötig, die Polizei wird schon die Wahrheit sagen!

So wie die Polizei übrigens die Wahrheit im Fall Kevin Schümann gesagt hat. Kevin Schümann kommt aus Bremen und wurde hier im Juli 2011 brutal von der Polizei zusammengeschlagen. Die Polizei behauptete danach, dass der Einsatz gerechtfertigt war, und bearbeitete auch dementsprechend die Videoaufnahmen, welche die Polizei während des Einsatzes gedreht hatte. Das Glück von Herrn Schümann war, dass es weitere Handyaufnahmen gab, welche auch die Szenen zeigten, die von der Polizei aus ihrem Video herausgeschnitten wurden. Nur deswegen konnte er sich aus der Täterrolle befreien und nur deswegen konnte er vor Gericht einen Freispruch erwirken.

Auch hier wollte die Polizei das eigentliche Opfer von Polizeigewalt zum Täter machen. Dies ist zum Glück nicht gelungen, aber genau dieses Beispiel ist der Grund, warum auch Pressemitteilungen der Polizei hinterfragt werden müssen. Die Polizei hat das Gewaltmonopol im Rücken, deswegen ist es wichtig, dass sie nicht auch noch die Deutungshoheit gewinnt. Wenn es der Polizei möglich ist, die angewendete Gewalt im nachhinein mit Pressemitteilungen zu rechtfertigen, ohne dass diese von den Medien hinterfragt werden, dann hat sie aber genau dieses Ziel schon erreicht und dann finden wir uns sehr schnell in einem Staat wieder, indem Polizeiwillkür auf der Tagesordnung steht.

Die Arbeit der Medien ist wichtig, deswegen sind sie auch in der Pflicht, diese anständig zu machen. Sie müssen die Situation möglichst neutral betrachten und dem Konsumenten möglichst viele Informationen zur Verfügung stellen. Die Übernahme von Pressemitteilungen, ohne diese zu hinterfragen, erfüllt dies allerdings nicht.

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