Koalitionsverträge durch die WählerInnen stärker legitimieren
Derzeit keimt die Diskussion auf, ob ein Mitgliederentscheid der SPD über die Frage, ob die große Koalition zustande kommt oder nicht, nicht das freie Mandat der Abgeordneten einschränkt. Persönlich sehe ich da keinen Konflikt, da nur darüber abgestimmt wird, ob beide Fraktionen, bzw. Parteien einen Vertrag schließen, die Abgeordneten aber weiterhin – wenn sich Frau Merkel denn zur Wahl stellt – frei entscheiden können, ob sie Frau Merkel zur Bundeskanzlerin wählen oder nicht. Interessant an der Diskussion finde ich allerdings, dass sich anscheinend niemand die Frage stellt, inwieweit der Koalitionszwang, der im Sondierungspapier schon vereinbart war, das freie Mandat der Abgeordneten einschränkt. Hier sehe ich nämlich ein viel größeres Problem! Wenn Abstimmungen erst vom Fraktions- und Koalitionszwang befreit werden müssen, damit die Abgeordneten Entscheidungen treffen dürfen, die ihrem Gewissen entsprechen, ohne damit rechnen zu müssen, dass sie bei der nächsten Wahl keine Chance mehr auf eine Nominierung haben, dann läuft irgendwas schief. Darüber sollte eher diskutiert werden.
Koalitionsverträge stärker legitimieren
Diese Diskussion möchte ich hier aber gar nicht führen. Meine Gedanken drehen sich hier um den Koalitionsvertrag und wie dieser eine höhere Legitimation durch die WählerInnen bekommen kann. Bisher wählt der Wähler nämlich nur Parteien und somit deren Extrempositionen (Parteiprogramm), aber eben nicht die Koalitionen und somit die Kompromisse, die durch einen Koalitionsvertrag beschlossen werden.
Ein einfacher Weg wäre, den Koalitionsvertrag am Ende dem Wähler noch einmal zur Abstimmung vorzulegen. Das würde natürlich Zeit kosten und somit die Regierungsbildung mächtig in die Länge ziehen. Deswegen wäre ich dafür, dass über eine mögliche Koalition schon mit der Wahl abgestimmt wird. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter, denn nach meiner Vorstellung wird nicht nur über eine mögliche Koalition mit abgestimmt, sondern gleich über einen konkreten Koalitionsvertrag.
Kompromisse schon vor der Wahl schließen
Geht nicht? Warum eigentlich? Die Parteiprogramme, und somit die Extrempositionen der Parteien, stehen ja bereits vor der Wahl fest. Auf dieser Grundlage lassen sich – unabhängig von der tatsächlichen Stärke der Fraktionen im späteren Bundestag – Kompromisse auf Augenhöhe finden. Oder eben auch nicht! Dann steht aber schon vor der Wahl fest, dass es eine solche Koalition nicht geben wird.
Natürlich müssen die Parteien dann mehrere Koalitionsverträge aushandeln, und die Medien hätten die Aufgabe, die Unterschiede dieser Koalitionsverträge den WählerInnen zu erklären. Sie müssten Fakten liefern, auf dessen Grundlage die WählerInnen sich dann eine Meinung bilden können. Und nein, ich meine nicht Meinungsbildung auf Bild Niveau.
Das löst übrigens auch das Problem, dass auf einem Wahlzettel nicht alle irgendwie denkbaren Koalitionen zur Auswahl stehen müssen, sondern tatsächlich nur die, für die es auch schon einen ausgehandelten Koalitionsvertrag gibt.
Da das jetzt natürlich immer noch nicht garantiert, dass es am Ende eine Mehrheit im Bundestag für einen bestimmten Koalitionsvertrag gibt, sollte der Stimmzettel zur Koalitionsfrage so aufgebaut sein, dass die WählerInnen die Möglichkeit haben, sich für 3 Optionen zu entscheiden, wobei diese gewichtet werden. Wenn Option A möglich ist, dann gilt die Stimme für Option A, ist Option A nicht möglich, aber Option B, dann gilt die Stimme für Option B und ist Option A und B nicht möglich, aber Option C, dann gilt die Stimme für Option C. Und sollte es dann immer noch den Fall geben, dass es für keine der Optionen eine Mehrheit gibt, dann sollte eben die stärkste Fraktion den/die Kanzlerkandidaten/in stellen und die Ministerposten werden auf die einzelnen Fraktionen verteilt, wobei sich die Anzahl der Ministerposten aus der Fraktionsstärke ergibt.
Abschließend möchte ich aber noch anmerken, dass ich kein Fan von Koalitionen und Koalitionsverträgen bin, da diese immer mit einem Koalitionszwang verknüpft sein werden. Lieber wäre mir ein Parlament – solange wir in einer repräsentativen Demokratie leben – in dem sich Ideen Mehrheiten suchen müssen. In einer Koalition ist dies meist nicht nötig, da die Mehrheiten durch den Vertrag abgesichert sind.
Und ja, ihr dürft natürlich all das, was ich hier aufgeschrieben habe, für totalen Schwachsinn halten, aber dann wäre eine Begründung in den Kommentaren cool, in der ihr eure Argumente niederschreibt, warum es totaler Schwachsinn ist, damit wir darüber debattieren können.