„Flüchtlinge aus der DDR waren gar keine Flüchtlinge!“
Es gibt so Diskussionen im Internet, da kann man einfach nur mit dem Kopf schütteln. So zum Beispiel die Diskussion darüber, ob Henkel nun ein Flüchtling war, oder ein Übersiedler. Dieses Konstrukt scheint vielen verdammt wichtig zu sein, damit man nicht darüber nachdenken muss, dass ein Übersiedler selbst ein Flüchtling war, dass „Übersiedler“ aus der DDR in die BRD geflüchtet sind und das sie nur von einer Sondergesetzgebung in Bezug auf DDR-Flüchtlinge profitiert haben. Ganz davon zu schweigen, dass damals das Asylgesetz wirklich noch eines war.
Diese Menschen wollen sich nicht die Mühe machen und darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn es diese Sonderregelungen nicht gegeben hätte. Sie wollen nicht darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn die DDR durch die BRD anerkannt gewesen wäre und wenn die Flüchtlinge nach dem heutigen Asylgesetz behandelt worden wären. Denn dann müssten sie sich Fragen, ob sie nicht auch nur als Armutsflüchtlinge angesehen worden wären. Dann müssten sie sich die Frage stellen, ob sie überhaupt eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen hätten, wenn sie aus genau denselben Gründen aus der DDR geflüchtet wären, wie sie sie damals für ihre Flucht hatten.
Das Konstrukt, das ein Übersiedler ja gar kein Flüchtling war, brauchen diese Menschen, um das heutige Asylrecht verteidigen zu können. Würden sie sich nämlich eingestehen, dass sie Flüchtlinge waren, dann müssten sie auch anerkennen, dass sie heute wahrscheinlich genauso ohne Perspektive dastehen würden, wie die Flüchtlinge, die jetzt in der Ohlauer Straße auf dem Schuldach stehen und die als einzige Verhandlungsmasse nur ihr Leben haben. Sie müssten sich dann eingestehen, dass die Gründe, aus denen sie damals geflüchtet sind, heute meist gar nicht mehr anerkannt werden und sie müssten sich dann eingestehen, dass dieses Asylrecht kein Asylrecht ist, sondern etwas Menschenverachtendes.
Das wollen sie aber gar nicht – ich schreibe bewusst „sie“, weil es nicht alle Übersiedler betrifft – sie wollen gar nicht anerkennen, dass sie Glück gehabt haben, dass sie nur dadurch dem Schicksal von Flüchtlingen entgangen sind, weil es eine Sondergesetzgebung gab. Sie wollen sich nicht als Flüchtlinge sehen, weil sich dadurch ihr eigenes Weltbild in Luft auflösen würde. Und sie wollen sich auch deswegen nicht als Flüchtlinge sehen, weil sie dann Solidarität aufbringen müssten mit den Menschen, die heute dieselben Perspektiven suchen, die auch die Übersiedler damals gesucht haben, als sie aus der DDR in die BRD geflüchtet sind.
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