Die Pflege von Angehörigen nur halb durchdacht
Die SPD feiert ihr neues Pflegegesetz, welches Beruf und Familie besser unter einem Dach bringen soll. In eine Pressemitteilung sagt Frau Elke Ferner dazu:
„Die SPD-Frauen begrüßen dieses Gesetz. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat gute Arbeit geleistet – das Gesetz erleichtert es, Familie, Pflege und Beruf miteinander zu vereinbaren. Die SPD löst damit ein weiteres Wahlversprechen ein: Wir schaffen mehr Zeit für Familien und mehr Zeit für Partnerschaftlichkeit. Dies kommt vor allem Frauen zugute. Denn es sind meist die Frauen, die sich vor die Frage gestellt sehen: Beruf oder Pflege eines/einer nahen Angehörigen.
Von 1. Januar 2015 an haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erstmals Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, um bei einer akut auftretenden Pflegesituation bis zu zehn Tage pro Betroffenen, die Pflege des Angehörigen zu organisieren. Zum ersten Mal gibt es einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit, in der die Arbeitszeit auf maximal 15 Stunden/ Woche verringert werden kann, und dem anschließendem Recht, zur alten Arbeitszeit zurückzukehren. Die Familienpflegezeit gilt auch für die Begleitung in der letzten Lebensphase oder zur Betreuung pflegebedürftiger Kinder in einer Einrichtung. Es kann ein zinsloses Darlehen in Anspruch genommen werden, um einen Teil des Verdienstausfalls zu kompensieren. Zu den nahen Angehörigen zählen künftig auch Stiefeltern, Schwäger/innen und lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften.
Der Verabschiedung des Elterngeld Plus folgt nun ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer modernen Zeitpolitik. Mit dem Gesetz schafft die SPD mehr Flexibilität für Frauen und Männer, die ihre Erwerbstätigkeit mit der Pflege eines nahen Angehörigen in Einklang bringen müssen. Damit setzt die Bundesregierung auch eine langjährige Forderung der SPD-Frauen um.
Nicht nur sind es vorwiegend Frauen, die sich um die Pflege von Angehörigen kümmern. Frauen sind auch überproportional in der Pflege beschäftigt. Hier sehen die SPD-Frauen noch dringenden Handlungsbedarf und fordern eine Aufwertung der Pflegeberufe.“
Das Positive an dem Gesetz ist tatsächlich, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer nicht gleich den Arbeitsplatz kündigen muss, wenn er oder sie die Pflege eines Angehörigen übernimmt. Es ist tatsächlich gut, dass es einen Rechtsanspruch auf eine Verkürzung der Arbeitszeit gibt, aber das ist auch schon fast alles, was an diesem Gesetz gut ist.
Verschuldung durch die Pflege von Angehörigen
Das Negative ist, dass die Angehörigen bei der Finanzierung der Pflege eigentlich allein gelassen werden. Ja, es gibt ein zinsloses Darlehen, aber auch wenn es zinslos ist, muss es am Ende zurückgezahlt werden. Die Angehörigen sollen hier den Verdienstausfall, der durch eine Arbeitszeitverkürzung auf jeden Fall eintritt, durch den Aufbau von Schulden ausgleichen. Warum? Warum gibt es hier keine Absicherung, die nicht darauf hinausläuft, dass nach der Pflege, bei der Rückkehr in den Beruf, ein riesiger Schuldenberg auf einen wartet? Und was passiert, wenn die Person, die ihre Angehörigen gepflegt hat, dann doch ihren Job verliert?
Es ist schön zu wissen, dass es einen Anspruch auf Arbeitszeitverkürzung gibt, um sich um seine pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern. Aber solange das finanzielle Risiko allein von der Person getragen wird, die die Pflege übernimmt, hat sich an deren Situation nicht wirklich etwas verändert. Sie muss, damit sie die Pflege übernehmen kann, während der Pflegezeit finanzielle Einbußen hinnehmen, und sie muss dann auch noch finanzielle Einbußen hinnehmen, wenn die Pflegezeit vorbei ist, weil sie noch ein Darlehen zurückzahlen muss. Was sollte daran ein Vorteil sein?
Der Staat würdigt die Zeit, die hier in die Pflege gesteckt wird, immer noch nicht. Die Pflege von Angehörigen bleibt weiterhin ein finanzielles Risiko für die Menschen, die diese Pflege übernehmen. Sie müssen sich weiterhin Gedanken darüber machen, wie sie den Schuldenberg, bzw. die finanziellen Verluste möglichst gering halten können und das wird für viele eben bedeuten, dass sie die Arbeitszeitverkürzung gar nicht in Anspruch nehmen können. Und wahrscheinlich auch gar nicht wollen, weil das Risiko, dass am Ende die finanzielle Belastung durch das Darlehen weiterhin die Existenz bedroht, ziemlich hoch ist.
Hier wird ein Gesetz, das durchaus in die richtige Richtung geht, dadurch kaputtgemacht, dass die Finanzierung nicht wirklich durchdacht wurde. Warum lastet die finanzielle Last einer solchen Pflegearbeit allein auf den Schultern der pflegenden Person? Warum bekommt sie keinen angemessenen Lohn für die Zeit, welche in die Pflege der Angehörigen gesteckt wird?
Die Hauptfrage, nämlich wie die private Pflegearbeit finanziell durch die Familie gestemmt werden kann, ohne das dadurch Schulden entstehen, lässt dieses Gesetz unbeantwortet und es lässt die Menschen, die ihre Angehörigen Pflegen, in diesem wichtigen Bereich im Regen stehen.