Der Neid kommt von oben

In den letzten Monaten war ich viel in sozialen Netzwerken unterwegs, um über Politik zu diskutieren. Dazu gehörte auch, dass ich mich über die ungerechte Verteilung des Vermögens aufregte, und daraus immer gleich eine Neiddebatte wurde.

Dass ich das kapitalistische System als falsch ansehe, sollte inzwischen jeder verstanden haben, denn das kapitalistische System ist für diese ungerechte Verteilung der Vermögen verantwortlich und es wird auch keine Reformen geben können, die diesen Schwachpunkt im System überwinden helfen. Sicher gibt es Möglichkeiten, um die Umverteilung von unten nach oben zu verlangsamen, aber im kapitalistischen System wird sie nie gestoppt werden können und sie kann auch nicht umgedreht werden.

Aber darum geht es mir hier gar nicht, denn es geht vielmehr um die Neiddebatte, die immer wieder gerne geführt wird. In den letzten Monaten meist im Zusammenhang mit Herrn Bayern Präsident Hoeneß, der einfach mal vergessen hatte, ein paar Einnahmen zu versteuern. Was dabei meist aber übersehen wird, ist, dass es gar keine Neiddebatte ist, sondern eine Gerechtigkeitsdebatte. Herr Hoeneß soll nicht in den Knast, weil er ein paar Millionen Euro auf dem Konto hat, sondern er gehört dort hin, weil er ein paar Millionen Euro nicht versteuert hat.

Aber das ist nur ein Beispiel in dieser Neiddebatte, die meist dann wieder herausgeholt wird, wenn die Argumente ausgehen. Die Forderung nach einem vernünftigen Leben wird dann meist zu Neid, weil unterstellt wird, dass wir dem Anderen seinen Erfolg nicht gönnen. Der Ruf nach einer gerechteren Verteilung der Gewinne wird auch mit der Neiddebatte erstickt und eine Diskussion über die Höhe der Managergehälter ist ohne den Hinweis darauf, dass es sich um eine Neiddebatte handelt, auch nicht möglich.

Dabei kommt der Neid meist von oben! Einen Hartz4-Empfänger interessiert meist nicht, wie viel so ein Manager verdient. Einen Hartz4-Empfänger interessiert, ob er genügend Geld hat, um den Monat zu überstehen. Umgekehrt ist aber oft zu spüren, dass Menschen, denen es besser geht als Hartz4-Empfängern, einen Neid auf die Hartz4-Empfänger verspüren. Er drückt sich in den vielen Vorurteilen aus, die sich gegenüber Hartz4-Empfängern verbreitet haben, und auch in der Mindestlohn-Diskussion ist er schon herauszuhören.

Der Neid auf Hartz4-Empfänger

Bleiben wir aber erst einmal bei den Hartz4-Empfängern. Ein beliebtes Vorurteil ist ja, dass es sich diese Menschen in der sozialen Hängematte bequem machen und sie ein Leben haben, in dem sie sich nicht anstrengen müssen – kurz gesagt: Hartz4-Empfänger sind faul und können nichts, bekommen aber dennoch Geld vom Staat.

Der Neid hier ist, dass die Menschen etwas bekommen, obwohl sie ja gar nicht arbeiten. Dieses Neidgefühl geht sogar soweit, dass man diesen Menschen am liebsten auch noch das Existenzminimum wegnehmen möchte, weil man ja selbst, obwohl man arbeitet, kein so angenehmes Leben führt – im Gegenteil, man schuftet hart und kann sich am Ende des Monats dennoch nichts leisten. Dieser Neid wird noch doch bestimmte Fernsehformate weiter eingeheizt, in denen vermittelt wird, dass sich ein Hartz4-Empfänger immer den neuesten Technikkram leisten kann, weil er zum Beispiel immer mit dem neuesten und teuersten Smartphone herumläuft.

Dass die Realität eine andere ist, wird dabei oft übersehen! Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich jeder Einzelne über seinen Beruf definiert. Nur wer arbeitet, kann sich einen gewissen Status erarbeiten, weswegen Arbeitslose sich meist als nutzloses Mitglied der Gesellschaft sehen. Das geht natürlich auf die Gesundheit und für einige wird dadurch der psychische Druck so groß, dass sie nur noch durch Alkohol das Leben ertragen können. Diese Menschen verlieren ihr Selbstvertrauen, weswegen es auch nicht verwunderlich ist, wenn sie irgendwann nicht einmal mehr das Selbstbewusstsein besitzen, um eine Bewerbungssituation zu überstehen.
Viele ziehen sich auch aus ihrem sozialen Leben zurück, lassen soziale Kontakte abbrechen, hören auf Freundschaften zu pflegen und vereinsamen dadurch.

Wer hier tatsächlich meint, dass es diesen Menschen super geht, weil sie ja soviel Freizeit und Geld haben, der irrt! Hartz4 bedeutet für viele Menschen die soziale Isolation. Für einige, weil sie sich für ihre Situation, die sie meist gar nicht selbst verschuldet haben, schämen und für andere, weil sie mit den finanziellen Mitteln, die sie zur Verfügung haben, überhaupt nicht am sozialen Leben teilhaben können. Selbstverständlichkeiten wie Kino, Fußball, der Besuch in einem Cafe oder andere Freizeitaktivitäten sind nicht mehr drin. Freunde zum Essen einladen? Auch nicht möglich, weil das im Regelsatz nicht vorgesehen ist.

Das übersehen viele, die gerne über Hartz4-Empfänger lästern, und die einen Neid auf diese Menschen aufgebaut haben, der im schlimmsten Fall dazu führt, dass der Wunsch geäußert wird, dass diese Menschen doch bitte ins Arbeitslager gesteckt werden.

Meist wird übersehen, wenn die Neiddebatte wieder auf den Plan gebracht wird, dass es den meisten völlig egal ist, wie viel jemand auf dem Konto hat. Viele, die eine gerechtere Verteilung des Vermögens fordern, wollen einfach nur, dass jeder Mensch auf diesem Planeten ohne Not und Ängste leben kann.

Mindestlöhne gefährden die Lohngerechtigkeit

Damit sind wir dann auch bei den Mindestlöhnen angekommen. Auch hier kann man den Neid, der von oben kommt, deutlich spüren. Anstatt sich zu freuen, dass durch den Mindestlohn bald dafür gesorgt ist, dass die Kollegen „anständig“ leben können, macht man sich über die Lohngerechtigkeit sorgen. Da fragen sich die Facharbeiter gleich, wie es sein kann, dass eine Hilfskraft plötzlich „soviel“ verdient, aber die Löhne der Fachkräfte nicht steigen? Immerhin muss doch der Lohnabstand gehalten werden, damit es hier eine Gerechtigkeit gibt!

Aber muss er das wirklich? Ist Lebenszeit nicht gleich Lebenszeit, egal ob es sich um einen Hilfsarbeiter oder um eine Fachkraft handelt? Ist eine angelernte Hilfskraft wirklich immer weniger produktiv als eine Fachkraft? Vermutlich nicht, aber der Neid ist halt vorhanden, der Neid auf Menschen, die kaum etwas besitzen. Es ist uninteressant, ob die Menschen von ihrem Lohn leben können. Interessant ist erst einmal der Lohnabstand, der Unterschied zwischen Hilfskraft und Facharbeiter. Dieser muss möglichst groß sein, nur dann fühlt sich die Fachkraft wohl.

Der Neid kommt meist von oben, er zerfrisst die Gesellschaft und bringt die Stärkeren gegen die Schwächeren auf. Nur wer mehr besitzt als die anderen, fühlt sich wohl. Dabei definieren wir uns nicht über das, was wir tatsächlich haben, sondern darüber, was die anderen nicht haben. Egal, ob wir das unbedingt zum Leben brauchen oder eben nicht.

2 thoughts on “Der Neid kommt von oben

  1. Es ist deprimierend. Vermutlich ist der Neid aber in allen sozialen Schichten vorzufinden. Du hast Recht. Es sind nicht nur die, die wenig haben und die auf diejenigen neidisch sind, die viel oder mehr besitzen. Es geht auch anders herum. Entscheidend ist, dass wir uns als Gesellschaft auseinanderdividieren lassen. Besser gesagt, wir sind so gestrickt, dass wir uns anhand der Einflüsse, denen wir uns bewusst und unbewusst ausetzen, in die eine oder andere Richtung entwickeln. Den Konflikt zwischen arm und reich kannst du inzwischen auch beobachten zwischen jung und alt (Rentendiskussion). Da wirft die eine der anderen Gruppe vor, auf ihre Kosten zu leben. Das ist auch nichts anderes als Neid oder jedenfalls kann man das so betrachten.

    Du musst mal beobachten, wie die Leute, denen es wirtschaftlich wirklich schlecht geht, damit umgehen, wenn über „mehr Asylanten“ gesprochen wird. Sicher, es gibt genug Leute, denen es selbst schlecht geht und die trotzdem ein Herz für andere Menschen haben. Aber du kannst sehr wohl auch das Gegenteil erleben. Die Politik weiß sich mit der „schweigenden Mehrheit“ einig, wenn sie nichts gegen die aktuellen europäischen Regelungen tut. Wir schützen unsere Grenzen, damit nicht zu viele Afrikaner nach Europa und nach Deutschland kommen. Wir sind egoistisch und herzlos. Und das zieht sich – finde ich – durch alle gesellschaftlichen Schichten. Es hilft uns nicht weiter, wenn wir uns gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben. Es wäre nötig, Einsichten zu entwickeln, dass es so nicht weitergehen sollte.

    Was war denn, als Familienministerin Schwesig vorgeschlagen hat, etwas für Familien zu tun? Die Diskussion wurde für unzulässig erklärt. Dabei muss dringend darüber gesprochen werden, wodurch bei uns wieder mehr Kinder geboren werden. Da dies auch mit finanziellen Anstrengungen verbunden ist, ist klar, dass Kinderlose stärker herangezogen werden müssten als Familien mit Kindern oder Alleinerziehenden. Aber rede darüber mal mit meiner Frau. Und so gehen die Gräben durch unsere gesamte Gesellschaft.

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